Mittwoch, 26. November 2014

kartenhaus

in the wee small hours after the night...
(ich weiss dass der song heißt
"in the wee small hours of the morning"
aber wir reden hier vom ende der nacht
und das ist viel zeit
- oder ein langer weg -
bis zum morgen)
in dieser zeit also
wenn du dein bewußtsein hochfährst
und nach den ersten orientierungsalgorithmen
bin ich ? - check
wer bin ich ? - check
wo bin ich ? - check
du endlich zur hauptfrage durchstößt
wann bin ich ?
kommts oft vor dass die möglichen erreignisse
des bevorstehenden tages
sich über dir häufen wie ein filigran aufgebautes kartenhaus
das beim ersten gedanken
zusammenstürzt
und dich unter sich begräbt.


aber noch ist es nur ein kartenhaus
die möglichkeiten lasten noch nicht auf deinen schultern
sondern nur auf deinen
hoffnungen und
ängsten


längst hältst du schon die karten in der Hand
- zufall hat gemischt
- schicksal hat gegeben
(beide sind so sehr jeder sich auch anstrengt
fantasielose unfähige betrüger)
aber dein blatt kennst du noch nicht.


erst später an dem tag
wenn die einsätze in die tischmitte rücken
die gebote erhöht worden sind
und die ansagen gemacht wurden
wird sich zeigen was dein blatt taugt.


die einsätze immer höher als du es verantworten willst,
mehr spieler am tisch als du weißt
kein ass im ärmel,
und kein joker


aber:
immer ausreichend damen im spiel









Montag, 24. November 2014

religionskrise

nachdem das alte derby
nach der zigsten verlängerung
ein weiters mal
unentscheiden geendet hatte
drohte ein weiteres
der endlosen nachspiele.


dies konnte allerdings
nicht stattfinden
da die beiden teamkapitäne
das Stadion verlassen haben
und auf ein Bier
gegangen sind.


und schon während des
ersten Krügels
gaben beide unisono zu,
dass sie in Wirklichkeit
miserable
Fußballspieler
sind...

Donnerstag, 20. November 2014

apokalyptika

die Musik der letzten Tage -
- Bastille, die hymnenden Nachtpoeten -
funktioniert heute nicht mehr
weil ein paar unklare Interaktionen
allen Harmonien zerstört
oder wenigstens durcheinandergerüttelt
haben

deshalb harmonieren sie nicht mehr
zu deinem aufgewühlten Gedankenfetzen
die sich zwar in logische Kontexte fassen
aber nicht mehr benennen lassen
weil kein existierendes Wort
passend wäre
und selbst die allerbeste
Notlösung würde mehr kaputt machen
als nützen

deshalb dürfen heute apokalyptika
spielen, die wortlosen
finnischen Streicher
und bei ihnen sind die
endlose Schönheit
der elegisch genossene Schmerz
und das reinigende Inferno
sich so nahe wie sonst
nur in deinem Kopf

(gods bless you boys)




Sonntag, 16. November 2014

kriegsvorbereitungen

der Slogan für ein neues Computerspiel
(in a war not everyone is a soldier)
hängt wie ein Motto
über dem Tag

im Garten die
letzte Vorbereitungen vor dem Winter
und du weißt diesmal
stehst du auf der falschen Seite
der kommenden Belagerung

auf wackeligen Leitern
hängst du oben in den Himbeeren
(oder sind es Brombeeren)
und schneidest die verdorrten Ranken
grüne Beeren die es nicht mal ins Rote
und schon gar nichts ins Blaue geschafft haben
auch tote Dornen stechen

sich den Hoody vom Kopf schieben
um besser sehen zu können
selbst dir die Stacheln vielleicht die Wangen zerschneiden
und später wenn du in deiner dicken Jacke endgültig
gefangen wie im Stacheldraht
sich vorsichtig losschneiden

das Herz ein Kriegers ist zweifellos
von Vorteil auch wenn es darum geht
tatenlos auszuharren
und die Nerven zu bewahren.

Essigbäume schneiden
als ob wir freies Schussfeld benötigen
nachdem das gefallene Laub und vor der feindlichen Luftaufklärung
(und dem Regen) nicht mehr schützt

Laub rechnen
und die Haufen der Toten blätter
ins Massengrab am Kompost
befördern bevor die eigentliche
Kampfhandlungen beginnen.

Krähen umkreisen den Kirchturm
und versuchen wie bewegungslose Lastensegler
in den Sturmböen zu landen
werfen sich in den Wind
treiben Regungslos
und schlagen - als es ihnen nicht gelingt -
doch verärgert die Flügel
um sich grölend auf den Zinnen
niederzulassen.

ihr mögt die Kraft
und die Brutaliät haben
aber ihr habt die Schönheit nicht
und deshalb werden wir nicht weichen.

Dabei seid ihr nur die Vorhut
und euer verkommener Tross ist erst im Anmarsch.

Donnerstag, 13. November 2014

priester des augenblicks (aus den antonius apokryphen)

und man hat auch gesagt
seid treu
seid standhaft
seid beständig
seid geduldig
seid demütig
harrt aus

ich aber sage euch
nichts hat bestand
wenig verdient treue
und noch weniger ist eurer
geduld wert

man hat euch gesagt
seid wie die lilien auf den feld
aber bedenkt, die lilien
haben nur diesen einen sommer

und man hat euch gesagt
seid das salz der erde
aber welchen wert hat das salz
wenn es nichts zu würzen gibt
und ehrlich -
habt ihr gesehen was auf den salzfeldern
wächst?

ich aber sage euch
seid priester des augenblickes
denn vielleicht habt ihr nur diesen augenblick

wünscht ihn herbei
lasst ihn zu
zelebriert ihn
ja und - verdammt noch mal -
genießt ihn
als ob es eurer letzter ist

ehrt ihn
denn ihr wisst nicht welchen preis ihr dafür zu zahlen habt
und welchen preis ihr den anderen
dadurch aufzwingt

lasst ihn nicht ungenützt vorbeigehen
versteckt euch nicht hinter eurer demut
euren zorn
eurem stolz

nehmt was es zu kriegen gibt
erntet was ihr nicht gesät habt
denn die ernte ist reichlich
aber der bauern sind es nie genug
sie einzubringen

versteckt euch nicht hinter eurer höflichkeit
sagt was gesagt werden muss
nicht weil ihr es nicht mehr zurückhalten könnt
so weil ihr es aufhalten müsst

versteckt euch nicht hinter eurer einsamkeit
und eurer schwäche -
seht euch an
ihr seid LEGIONEN!!!

lasst euch nicht durch den alltag lähmen
ihr die ihr einst jäger wart
gedenkt der momente die ihr euch erkämpft hat
die ihr gesammelt habt
lasst nicht zu man euch zu
vergessenen totengräbern
eurer selbst macht

ERINNERT euch!!!

das lachen eines kindes
ein schrei in schmerz
ein glühender mensch am strand
eine frau die ihr haar öffnet
die intensität mit der ein hungriger ein stück brot isst
der moment in dem eine stimme kippt
die flugbahn eines vogels
ein duft in der dunkelheit
ein kuss im regen

erinnert euch der magie
denn ihr habt sie gemacht
und noch immer
seid ihr dazu fähig

seid priester des augenblickes
egal wer eure götter sein mögen
ob ihr zum zufall betet
oder zum schicksal
egal ob ihr dem großen plan dient
oder der harmonie
oder nur versucht das chaos hintanzuhalten

seid priester des augenblicks
nutzt eure talente
nutzt eure zeit
denn ihr habt zu wenig davon
diese welt ist euch gegeben
und diese zeit ist euch gegeben

macht was daraus!



ice.runner

natürlich ist da das eis
auch wenn du die meiste zeit dahinläufst
dicker fester schnee unter den stiefeln


und egal ob du es suchts oder fürchtest
(manchmal ist es das selbe)
früher oder später findest du es
- oder es findet dich


doch du läufst weiter
- noch immer dämpft der schnee deine schritte -
und irgendwann ist aber der untergrund unter dem schnee
härter als es erde oder fels
je sein könnte


und dann bist du am eis
es lässt sich nicht mehr leugnen
es ist hart
es ist fest
glasklar gefrohren bis auf den grund
blätter vom letzten sommer
und treibholz vom letzten leben
konserviert im erstarrten schlick deiner Erinnerungen
die feste basis unter deinen füßen


aber spiegelglatte oberfläche die die wanken lässt
aber man gewöhnt sich leicht daran
die schritte langgezogen
das gleichgewicht leichtfüßiger
die bewegungen rythmischer
du kommst erstaunlich gut voran
nur das bremsen wird problematisch
- sowohl das können
als auch das wollen


und noch weiter draußen
die feststellung dass sich dein körper nicht allein bewegt
und das auf jeden fall das eis
(wenn nicht noch mehr)
unter deinem fortschreiten mitschwingt
entweder im rythmus deiner schritte
oder im schlagen deines herzens


oder noch weiter draußen
(oder ist es drinnen)
inzwischen ist es nacht geworden
und nur der boden zu deinen füßen strahlt noch
merkst du das das eis dünn geworden ist


ein knacken zu deinen füßen
das wie eine zerfetzte stahltrosse
durch die nacht peitscht
und die letzte linie ist bei der du umkehren kannst
oder glaubst es zu können
oder zu wollen
oder zu dürfen
oder zu müssen


und egal welche entscheidung du triffst
jede seite der linie hat ihren preis
und oft musst du beide
bezahlen


und hinter den dicken sprüngen
den linien im eis
(oder in deinem kopf)
falls du weitergelaufen bist
zu spät umgekehrt
oder dich verlaufen hast
ist es immer anders


manchmal sind es es wasserlachen
durch die du flitzend läufst
und irgendwann noch weiter draußen
wirst du dich unter die oberfläche schleichen
um heimlich still und leise
eintauchen


oder es bricht und du stürzt in die tiefe
und egal ob es dich überrascht oder du es gesucht hast
es sind immer die eisschollen die dich verletzten


denn dort wo das eis am dünnsten ist
ist das wasser am wärmsten


und was immer unter dem eis ist
der gedanke daran wird uns
an den tagen erschrecken
und in den nächten wärmen


(wir kommen aus dem wasser
wir erinnern uns daran
wie es ist
dort unten zu atmen)