Montag, 26. März 2012

frühlingsweg

...triebe,
zu schnell hochgeschossen aus einem morastigen boden
kratzen an uns wie der unrasierter stoppelbart
eines ungestühmen liebhabers
der nach einer wilden nacht
noch nicht gerechnet hat,
das er unter leute kommt

später dann,
erst eine amsel und dann eine haselmaus
tot und konserviert
um uns zu zeigen,
das dieses scharmützel noch nicht lange aus
und die opfer
weder alle bekannt noch gezählt sind

kleine sprossen
frisch aus der erde
verruntzelte gebilde
wie alles frisch geborene
das im ersten lichte dieser sonne
hässlich ist

der weg im hohlweg
ist ein bach geworden
weil der boden den winter ausschwitzt
wie eine lästige grippe
die jahr auf jahr
wieder kommt

oben im windbruch
knirscht der letzte schnee verhalten
unter den schuhen
wie das räuspern eines sängers
der sich anschickt ein
frühlingssonett zu singen

doch
zwei stunden später
und 200 meter höher
werden wir endgültig umkehren
und eingestehen
dass sich der alte feind
zurückgezogen zwar
doch geschlagen
sich noch nicht gegeben

Donnerstag, 1. März 2012

codes of farewell....

am ende ist es zumeist nur ein ritual
ein codex
der uns davor bewahrt die fassung zu wahren
wenn uns der schmerz, der verlust
den grund unter den boden wegreisst
der codex, wie ein in den boden gerammter stab
eine linie in den sand
gegen die dunkelheit
"bis hierher und nicht weiter"

der kies knirscht unter unseren füßen
neustifter friedhof
umgelegte grabsteine auf aufgelassenen gräber
"unvergesslich" steht auf einem kreuz
wie eine mahnung
dass jedes versprechen,
dass über lebzeiten hinausgehen will
ein lüge sein muss

begräbnis nach dem wiener codex
das präzise einsetzen der totenglocke
als ob es die paukenschlagsymphonie wäre
die Pompfeneberer
(ich kann das wort nicht in google finden)
in ihren kühlen stillen sachlichkeit
immer gut behütet bis auf ihren anführer
(der einzige der sprechen wird)
und stehts bereit
auch mit einem sessel für die gäste die zu stehen
nicht mehr vermögen
nur der neue schriftzug der wienbestattung
anachronistisch neu und modern

am weg zum grab
und dem einen himmel hat es gefallen
die wolken heute aufzureissen
um einen anderen himmel
in strahlenden blau
über den drehbuchgerechten krähen
damokleshaft hängen zu lassen

selbst ihr krähen klingt heute
also ob sie sich schämen
und schon wissen
dass sie ziehen müssen

am grab
eine blume die in die tiefe segelt
und ein schäufelchen erde dass dann doch immer
wieder viel zu hart auf den sarg brallt

eine münze dem totengräber
klammheimlich zugesteckt
"das ist eine charon/styx sache"
und der fährmann ist zu bezahlen
auch wenn wir über diesen jordan
noch nicht wollen

nach dem grab
der messdiener das kreuz lässig auf der schulter
wie ein söldner am heimweg nach dem krieg

auch die worte folgen dem codex
ich echtzeit haben meine worte
immer sprechhemmung

auf der gegenüberliegenden straßenseite
ein kleines mädchen das zur konditorei hüpft
ihr langes blondes haar tanzt vergnügt in der luft
und der kosmos freut sich,
weil er endlich ein sinnvolle verwendung
für sinuswellen gefunden hat

das leben lässt sich nicht aufhalten