Mittwoch, 26. Oktober 2011

das tattoo / die nachricht

als sie die beiden pioneer sonden richtung jupiter raus schickten, gabs ein paar vorausdenkene visionäre, die den sonden plaketten verpassten, eine nachricht, nur für den zwar unwahrscheinlich aber möglichen fall, dass es die beiden nicht nur an jupiter vorbei sondern bis zu irgendwelchen außerirdischen schaffen. und nachdem pioneer nicht 21 monate sonderen 32 jahre (oder 12 mrd. kilometer) aktiv war, sind die beiden inzwischen - soweit wir wissen - auf den weg nach aldebaran, wo sie in mehr oder weniger 2 millionen jahren ankommen werden.

wie so eine universelle nachricht designen, wie so eine botschaft formulieren, die so einzigartig in jeder hinsicht ist wie diese? wie diese visitenkarte layouten, die einmal hinausgeschickt - nie mehr zurückholbar ist?

die frage nach diesem solitär-design, nach diesen singulär-layout stellt sich bei allem info-content das in unserem leben einen unitären, einzigartigen, unwiederbringlichen aber auch unwiedernehmbaren charakter hat.

gibt es ein hochzeitsversprechen, dass alles ausdrückst was du wirklich empfindest?
gibt es ein foto das dich so darstellt wie du wirklich bist?
gibt es ein glaubensbekenntnis das alles ausdrückt was du glaubst und hoffst?

gibt es ein tatoo mit dem du dein ganzes leben herumlaufen möchtest?
gibt es ein zeichnung die dir die welt erklärt????

wir haben es schließlich dann doch gefunden - so wie alles wichtige, dass man findet ohne dass du es sucht (oder es findet dich).


lukas und sich sind uns einig - es sieht aus wie etwas das lara croft in einem tempel im meer finden würde, oder in einer pyramide unter der arktis. schrecklich fremd und
entsetzlich vertraut. elemente und symbole die du kennst, aber die in ihrer kombination undenkbar sind, oder in ihrem erschaffenszeitpunkt, oder der art ihrer entstehung.

ich hab sowas erst zweimal erlebt - einmal als ich mein erstes apfelmännchen gesehen hab, das andere mal waren es die türme der sagrada. beide in ihrer harmonie so seltsam schön, und endlich aufregend. Wie schriftzeichen von aliens (oder gott) und bei aller fremdheit spürt man, dass wir da ganz innen drinnen gleich sind.

erst am zweiten tag werde ich sie fragen, nachdem ich davor nur verstohlene blicke riskiert hab. es ist der seltene fall in dem künstlerin und kunstwerk ident sind - zum teil wenigstens. und es ist eines der bilder die nur auf einer gekrümmten geschlossen ebene denkbar sind.

womit würden wir einen menschen beschriften, den wir nicht nur aus unserer galaxis - sondern aus unserem universum hinausschicken zu dem was dahinter liegt?

Gibt es eine Zeichnung, die dir das Leben erklärt?
Gibt es eine Bild, das dir die Welt aufzeichnet?
Angefangen von Planeten über die archaischen Symbole intelligenter Wesen bis zu den Schaltkreisen des Cyberspace?

Wenn sich das kollektive Unterbewußte - aller Wesen des Universums - eine Unterschrift überlegen müsste, was würde da wohl rauskommen?

Wir hören wie das Tatoo entstanden ist, der Name Hermes Trismegistos fällt, und meine Erwiderung, dass ich den kenne klingt etwas abfällig in meinen Ohren, und ist vielleicht auch nur ein Zeichen dafür, dass mir dass bei aller Faszination doch auch etwas unheimlich ist.

Samstag, 15. Oktober 2011

farewell my friend (porta-cath)

"darf ich ihn sehen, wenn sie ihn mir rausgenommen haben?" fragte ich den operateur

später, hält er ihn kurz vor meine augen
und er sieht aus wie ein kleiner lautsprecher
seltsam kantig, gar nicht so wie er sich angefühlt
als er noch unter meinem schlüsselbein verpflanzt

"du hast mir gute dienste geleistet" denke ich später
fast sentimental
und ich blicke ihm nach während ihn die op-schwester wegträgt
ein jahr lang waren wir zusammen
hast alles treu geschluckt was für mich bestimmt
und verhindert das man mich sticht

ich blicke ihm nach wie einer raketenstufe
die du absprengst
dankbar dafür das sie dich in den orbit gebracht hat
und dennoch wirst du dich hier ihrer entledigen
und zusehen wie sie in der atmosphäre verglüht.

es ist ein stück aus plastik und metall
nichts das denkt oder fühlt
worte wären verschwendet
und schweigendes salutieren
wäre die einzige adäquate form von dank

warten (profesionell)

(14.10.2011) - stundenlanges warten auf eine op
dass zu entfernen, das nicht mehr gebraucht,
enttechnisierung der cyborgs

müßiggang mit gratiszeitungen, ein paar patienten gut zureden
und dann - als es sich abzeichnet das es noch länger dauert -
durch AKH streifen, so als ob es mein revier wär
ehrenrunde durch die eingangshalle und dann dem duft folgen
dem ich hier mich erst geöffnet hab
der duft der draußen für mich nach krankheit riecht
aber hier herinnen ein refugium ist.

grande capucciono und scones beim starbucks,
hab mir eine kleine nische gefunden, mit guter übersicht zur tür
und zweiten sessel für den fall der fälle
brown sugar (schlecht für die zähne aber so gut*)
das aufhängen der jacke ist wie ein lager aufschlagen
bin in warte-position
das handy zwischen den bröselkrümmeln- wir sind auf sendung

die dritte zeitung für diesen morgen und zwischen alldem eine offenbarung:
ich entdecke endlich wer mein role-modell im letzten jahr war:
woher dieses professionelle patient-sein, woher diese leichtigkeit, woher diese positive rolle? (ein theaterstück in den späten 80ern - und mittendrin ein patient für den das alles ein abenteuer oder ein urlaubstag ist - soweit jedenfalls die erinnerung)

und zwischen den seiten
tausend gedanken, bilanzen, synchronizitäten
welche ironie, dass ausgerechnet der starbucks hier
nach 19 jahren ehe unsere erstes cafehaus war

was tun wenn am ende der zeitung noch soviel zeit übrig ist?
fröhliches beruferaten mit anton s., mein lieblingsspiel hier herinnen,
den leuten zusehen und raten was sie sind:
ärzte?, studenten?, patienten?, pharmavertreter?, angehörige ?
doch wie immer wird mir bald meine eigene menschenverachtung zuwieder.

der starbucks im AKH ist wohl der einzige
in dem es immer freie plätze gibt,
und in keinem wird soviel geweint wie hier.

zeit wieder hochzugehen auf 7c
ich warte lieber hier als zuhause
inzwischen bin ich ruhig geworden
die federn sind weg und
die nerven sind aufgerollte stahlseile

darin liegt der sinn des wartens
die nervosität zu belagern
und die angst sturmreif zu schießen

im op-saal läuft ein sanfter jazz

seltsam in welchen systemem
man sich
fast
zuhause
fühlt

Donnerstag, 6. Oktober 2011

liebe/treue

wenn erst mal
echte liebe im spiel ist
ist treue eine
untergeordnete kategorie

hauptsache sie blühend
zu wissen
als welkend
an meiner
seite

Samstag, 1. Oktober 2011

vergebung

dumpf dröhnen
schwere schritte über marmornen grabplatten
während blutrotes herbstlaub
leichtfüßig in der brise tanzt

dass man an wunden
die man glaubt
geschlagen zu haben
so viel schwerer trägt
als an den narben
derer sich dein körper
gewiß ist

manche schuld
kannst du auch
wie eine trophäe
stolz
mit dir rum tragen

ob etwas das vergessen ist
in wahrheit vielleicht
nie passiert ist?

die toten ruhen lassen
und das lachen derer hören
die man hier begraben
glaubte





der brennende mann

soul-lagging
der körper längst wieder daheim,
der geist hinter her trottend
aber die seele noch immer irgendwo zurückgeblieben

zu nahe noch der winterschlaf
in dem zwar deine haut kochte
aber dein herz wie ein kalter stein in dir
der körper fieberhaft auf touren
und dein kopf nur mit warten und durchstehen
beschäftigt

die kälte sitz dir noch in deinen knochen
und dein mark plubbert
wie kochende marmelade
erinnerungsdampfblasen
die sich anlegen
bevor sie richtig warm werden

mein metabolismus ist 60
(alter mann der ich einst sein werde)
und meine trägheit ist 14
(dickes kind das ich einst war)
und ich bin - der nicht existente -
mittelwert

zu nahe noch die nächte im roten turm
unter dir die goldenen lichter einer stadt
aber was anfangen mit diesem schmuckkästchen
und der anblick inzwischen verhasst

endlich wieder eine nacht am boden verbringen
laut und heiß
der schweißgeruch ist nicht dein eigener
die hochhauslichter von unten sehen
es ist die luft die uns frieren lässt
und lebendiges fleisch das uns wärmt

durch eine nacht treiben
torkelnd
wie achtlos auf den filz geworfene billardkugeln
und es noch offen lassen
was heute hier gespielt wird

das verbotene verlangen
willkommen heißen
und sich dem heißen schmerz
(noch nicht hingeben aber)
jetzt zuwenden
wie vorher dem kalten schmerz

wir brennen in der nacht
verzehrend lodernd lebend in der finsternis
furchtlos also ob wir die engel mit den flammenschwertern
immer gesucht hätten
seit wir zu den gebrannten kindern gehören

mein herz brennt
und auf dem einsamen heimweg
schneidet es glühende schneißen
ins kalte schwarz

wir gehören nicht der finsterniss

der dunkelheit kein reich