Sonntag, 27. April 2014

Kruger's Bar

Wir sitzen in Kruger's Bar,
und es Wien ist und nicht Johannesburg
(und es ist die Realität und nicht ein Film)
deswegen ist es die Kruger's Bar
weil sie in der Kruger Strasse liegt
und nicht weil sie der uneheliche Sohn
des Diamantenschleifers
betreibt.

Wir haben das Wochenende intensiv begonnen
(manches wird uns morgen schwere Köpfe machen)
aber ich bin endlich aus der Trace erwacht
in die man nach einer Woche
hard-coden
fällt
(Autismus ist eine Berufskrankheit
der Programmierer wenn man nicht starke Mittel dagegen nimmt)

Wir kamen gerade noch vor der Welle herein,
und jetzt ist die Bar voll
wir sitzen am Tisch
auf diesen Hybrid Sitz-Steh-Hockern
und wenn wir schmusen wollen muss ich
das Glas mit Kerze
in die Hand nehmen
wie ein Erstkommunikant.

"Ich geh mal auf Klo!" sagt sie
"Na, du traust dich was!" sag ich
und dann ist der Sichtschutz weg
weil hinter ihr -
- am 6er Tisch -
sitzen zwei grantige Schnepfen
wie eine Anklage
weil sich selbst die Kellner
vorher nicht getraut haben
sie woanders hin zu platzieren.

Auf neun Uhr zwei Freundinnen
eine gelangweilt
eine gespannt (und steif wie
der Witz eines Buchhalter)
die es dennoch nicht schafft ihr zu sagen was sie loswerden will
und ihr Gespräch wie ein Motor der nicht anspringen will.
Gebeichtet wird heute nicht.

In meinem Rücken eine Blondine
- ein bar Mal hat mich ihr Ellbogen gestreift -
aber wie sie aussieht werde ich nie erfahren,
aber ihr Begleiter
den ich im Spiegel hinter der Bar
zwischen zwei Scotchflaschen so gerade noch sehen kann
wenn er nicht im in-fight ist
lässt die Prognose zu, dass sie wenigstens
double-A ist.

Und der Bar-Mann macht wieder sein Ritual
absoluter Macht
und meine Blick wandert zwischen den Flaschen herum
Namen die ewigen Ru(h)m
wilde Abenteuer
und unendliche Traurigkeit
verheißen.

Und dann geb' ich mir ein Versprechen:
Wenn es schlimm kommt,
es wie ein Mann durchzuziehen,
hier rein zu spazieren
in der ersten Reihe Platz nehmen
am Keeper vorbei - nachdem er reinen Tresen gemacht hat
nach hinten zu deuten
und sagen:
"Das da hinten ist doch Elijah Craig?
Wir sind uns noch nicht vorgestellt worden.
Wären sie bitte so freundlich uns einander
bekannt zu machen?"

Und dann ist sie zurück
"Du bist noch allein?"
Und wäre es ein Film würde ich sagen
"Jetzt nicht mehr!"
Aber da es die Realität ist,
hebe ich nur die Hände und meine
"Bei diesen Alternativen?"



Freitag, 25. April 2014

alteisen - rostbraun

...und dann Besinnungsstunde
an Stelle der Jubiläumsfeier
der Religionsgemeinde
der ich als zugehörig gelte,
weil unter dem sepia verblassten
Erinnerungen
was anderes braunes modert
dass - trotzdem du es an Tageslicht zerren wirst -
niemals zu entsorgen ist.

...Erbsünde mag ein theologisches Konstrukt sein
beschreibt aber reale Phänomene
durchaus treffend,
kann man noch was von dem Rotwein haben?

...seltsame Augenblicke
wenn Artefakte deiner eigene Vergangenheit
vitrinengeschützt
museal
dargestellt werden.
Das Räucherfass das ich ein dutzend Jahre
durch den Bezirk geschleppt hab,
die anderen als Könige verkleidet
aber der Schwarze war ich.

...das aufblättern der alten Pfarrblattexemplare,
an drei beliebigen Stellen
und auf jeder ein Toter, eine Tote
die ich bis jetzt eben vergessen hatte
aber die noch immer weh tun.

...wie gewichtig und satt
deine Vorgeschichte daherkommt,
wenn sie erst mal gebunden und katalogisiert ist,
selbst wenn man sie zuschlägt.

...erkennen, dass selbst dein
kleines Nachkriegsmenschenleben
inzwischen mit Toten gepflastert ist
und dich die simple Tatsache
deiner Gegenwart
zu einem unverdienten Überlebenden
so mancher Lager
gemacht hat.

....Stoffpuppen auf Fischfang
und ein Lächeln dem wir ins Netz gehen.

Freitag, 18. April 2014

osterspaziergang (this is my vietnam)

Osterspaziergang 2014
diesmal am Karfreitag schon
da das Wetter schöner sein soll
und welches Datum wäre
passender für dieses Zielgebiet

man weiß es schon im vorhinein
dass es dort hingeht wo du einst
im grünen Drillich
Soldat gespielt und auch gewesen
doch je näher man kommt
desto krippliger das ganze

St. Margarethen
und von weit schon, wie ein vergessener Weihnachtsstern
die übernachtig abgeschaltete Neon - Beleuchtung des White Star - Landdisko die noch immer steht - erkennbar die selbe Bausubstanz und dennoch voll intakt auch wenn dutzend Generationen inzwischen dort zum Beat bewegt.

Hier jedenfalls hast du deine Unschuld nicht verloren, sentimentales Erinnern an die Blonde (heiss, kalt, abweisend, Obertliga) und die Rothaarige (geschmeidig, interessant aber dann doch so traurig, dass man sich selbst Ihr nicht auch noch antuen wollte). Wir haben nur ein paar Rhythmen und Vibes geteilt, aber die Erinnerung an eure Gesichter - durch das Stroposkoplicht unvergessen eingebrannt - hat mich durch so manche Winternacht gebracht.

Dann der Bahnhof - Post-Milleniales-ÖBB-Standardlayout - und keine Erinnerungen übrig. Wie weit der Weg doch gewesen ist, eine neue Siedlung - mit Ortsschild - wo früher nur einsame Landstraße war. Und dann aber doch ein Schild "Kaserne" und nur das geübte Auge sieht die gut getarnten gelben Warnschilder über dem Flachsfeld und die grünen Panzersperren im Frühlingssatten Unterholz die die Erinnerungen rekonstruieren.

Dann die Zementfabrik - und Perlmoser ist jetzt nur mehr ein Untertitel unter Lafarge.
Die Zementfabrik, riesig in der flachen Landschaft, und nachts beleuchtet wie eine Post.Industrielle Metropole, unser Haltepunkt, unser Orientierung im Winter 88 ob wohl das was wir an den 6 Tagen "zu Hause" nennen, auch noch ein ganzes Stück daneben liegt.

In Mannersdorf gehen die Jungen heute ratschen, schieben ihre Osterratschen lärmend durch den Ort obwohl alle ihre Ohren verstöpselt.
Die Ratschen klingen wie MG-Geknatter und trotz der Sonne kommt es kalt den Rücken.
Wie näher sind mir da doch die heimatlichen "Osterklöppel" (wenn die Glocken in Rom) die nur kurz knallen und verhallen wie eine Doppelsalve. (Und das war mir auch damals näher, denn selbst mit dem MG hab ich Einzelfeuer abgegeben, nicht weil ich mich traute sondern weil ich einfach besser war. Flächenfeuer ist was für "fickrige Schwitzer mir SÜD"*, aber ich - damals schon der Ökonom - hab ordentlich Abschüsse bekommen für mein Blei)

Und dann durch die Wüste, die ich - mit Wolke damals während einem Gewaltmarsch durchmessen - auch hier kein Fetzchen Erinnerung und ob die riesigen Steinbrüche wohl damals schon hier gewesen?

Im Wald ist es friedlich, wir sind alleine - bis auf Fuchs und Gartenzwerg - und die Gedanken schweifen zurück und ist die Tür erst mal offen kommen die Gäste auch ungebeten. Nicht schlimmes - nur der Schuhwaschraum hinter dem Haus, die Schnitzel während des Wachdienstes und die Farbe der Bodenfließen (denn bei meinem Chargen am 6.Jänner, war nach einem Kafka, einem Tennesse Williams, einem Wiener und zwei Playboys immer noch ausreichend Zeit die Fließen zu zählen).

Und dann wieder zurück, im Hier, im Jetzt und die Zementfabrik funktioniert noch immer als Haltepunkt.

Ausklang im Dorfgasthaus und über uns ein LED-Sternehimmel. Auch der Sternenhimmel über Götzendorf war immer klar in diesen kalten Nächten, nur zerfurcht von den Positionslichtern der startenden und landenden Maschinen von Schwechat.

Ich kratze an meiner Narbe (dort wo früher der Portacath drunter war) die wieder juckt, weil ein paar durchtrennte Nervenfasern wieder expandieren. Und dann die Überlegung welche Narben tiefer gehen oder besser vernarbt sind.

Und ob diese alten Dinger überhaupt Narben sind, oder nicht vielleicht doch offenen zerfurchter
Ackerboden in dem du dein nachfolgendes Leben erst angebaut hast.



--------
* (in etwa): nervös hantierend von aufkommender Panik Gebeutelter Junge mit Samen-Über-Druck